Nachträgliche Zinssenkungen bei langfristigen Sparverträgen von Prämiensparern unwirksam
Verbraucherfreundliches Urteil: Neues BGH-Urteil stärkt Prämiensparer
Auslöser war eine Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale Sachsen, die der Sparkasse Leipzig vorwarf, über mehrere Jahre deutlich zu wenig Zinsen in ihren Prämiensparverträgen gezahlt zu haben. Der BGH entschied nun, dass die in Prämienverträgen verankerte Zinsanpassungsklausel unwirksam ist, da sie nicht das „erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen“ aufweise. Sparkassen hätten vielfach Änderungen nach Gutsherrenart durchgeführt, d.h. die Zinsen wurden jahrelang einfach per Aushang in den Filialen und ohne transparente Kriterien angepasst. Dabei stellte der BGH in seinem Urteil fest, dass es sich bei den auf langfristiges Sparen angelegten Verträgen um einen Referenzzins für langfristige Anlagen handeln müsse. Das wiederum dürfte viele Sparer freudig stimmen, denn gemäß dem Urteil stehen vielen Nachzahlungen aus ihren Prämienverträgen zu.
Bis dato gilt dieses Urteil unmittelbar nur für die Sparkasse Leipzig. Doch gleichzeitig geht von der Entscheidung des BGHs eine Signalwirkung aus, derer sich die Branche nur schwerlich entziehen dürfte. Ob nun die Geldhäuser von sich aus Zinsen an ihre Kunden zurückzahlen werden, hängt sicherlich auch maßgeblich damit zusammen, inwieweit die Finanzaufsicht Bafin sich einschaltet und sie dazu drängt.
Dies ist für Banken und Sparkassen bereits der zweite Rückschlag innerhalb eines Jahres. Erst im April hatte der BGH entschieden, dass die eingeführten Gebührenerhöhungen eine explizite Zustimmung der Kunden erfordert. Die bis dato stillschweigende Zustimmung greift daher nicht mehr.
Die Verbraucherzentrale reagierte auf das jüngste Urteil des BGH mit großer Zufriedenheit. Ihre initiierte Feststellungsklage, dass die Sparkasse Leipzig in ihren Prämiensparverträgen keine wirksame Klausel für die Zinsanpassung verwendet habe und Kunden somit zu wenig Zinsen gezahlt wurde, endete nun zu Gunsten der Prämiensparer. Gleichzeitig hält sie einen bestimmten Referenzzinssatz der Bundesbank für angemessen. Ihren Berechnungen zufolge stehen Kunden der Sparkasse Leipzig im Schnitt um die 3.100 Euro zu.
Auch die vom Verbraucherschutz geforderte Maßgabe, dass Sparkassen die variablen Zinsen mit einem Abstand zum Referenzzinssatz (nach oben) verändern müssen, tritt nun seitens des BGH- Urteils in Kraft.
Die genaue Bestimmung des höheren Referenzzinssatzes wird nun seitens des Oberlandesgerichtes Dresden ermittelt werden, die wiederum von Sachverständigen beraten werden dürften.
Fakt ist: Dieser Fall wird große Wellen in der Branche schlagen, da sehr viele Geldhäuser, allen voran Sparkassen, ähnliche Sparverträge verkauft haben. Es handelt sich in der Regel um „S-Prämiensparen flexibel“ Verträge aus den Jahren 1990 bis 2010. Es dürften schätzungsweise mehr als eine Million solcher Verträge existieren. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) äußert sich kritisch dazu, dass der BGH den relativen Zinsabstand für angemessen hält. In anderen EU-Ländern würde eine solche Berechnungsgrundlage als nicht verbraucherfreundlich eingestuft. Aus ihrer Sicht ist der relative Zinsabstand je nach Zinssituation einmal für die Kunden vorteilhaft oder auch nachteilig gegenüber dem heute verwendeten absoluten Abstand.
Abzuwarten bleibt, wie das OLG Dresden über einen Referenzzinssatz entscheiden wird. Bankkunden können darauf hoffen, dass ein für sie sehr viel günstigerer Zins festgelegt wird. Es ist davon auszugehen, dass letztlich auch hierüber der BGH entscheiden wird.
Auch die BaFin hat sich bereits in den Streit um Prämiensparverträge eingeschaltet. Sie hat eine Allgemeinverfügung auferlegt, dass Banken und Sparkassen alle betroffenen Kunden mit Prämiensparverträgen über die Falschberechnung informieren und eine rechtskonforme Lösung anbieten müssen. Dagegen legten allerdings mehr als 1000 Kreditinstitute Widerspruch ein.
Inhaber von Prämiensparverträgen partizipieren neben einem steigenden Bonus auch an einem variablen Grundzins. Der höchste Bonus beläuft sich oft auf die in dem Jahr eingezahlte Sparsumme oder auf die Hälfte davon. Im Hinblick auf die Null- und Negativzinsen sind diese Verträge für Verbraucher sehr attraktiv, für Sparkassen aber ein Verlustgeschäft.