Investitionsvolumen in Start-ups rekordverdächtig
Erinnerungen an die Dotcom-Blase werden wach
Gleichzeitig war das vorangehende Quartal auch geprägt von Megadeals. Insbesondere Start-ups, die sich mit der Entwicklung der Mobilität befassen, konnten viele Milliarden Dollar einsammeln. So beispielsweise das US-Start-up Waymo, welches zu den führenden Unternehmen bei der Entwicklung für das autonome Fahren zählt, konnte allein 2,5 Milliarden Dollar in einem Deal für sich gewinnen. Zu den absoluten Gewinner im 2. Quartal zählt jedoch das schwedische Start-up Northvolt AB, welches Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos herstellt. Institutionelle und Private-Equity- Investoren sahen in diesem Start-up das größte Potential und spülten 2,75 Milliarden Dollar in die Kassen des Unternehmens.
In Europa hingegen floss das Kapital der Investoren vor allem die Finanz-Start-ups. Allem voran der Berliner Neo-Broker Trade Republic, der im zweiten Quartal ca. 900 Milliarden Dollar frisches Geld erhielt.
Schon jetzt prognostiziert der Finanzdienstleister Pitchbook, dass 2021 zu dem bislang besten Venture-Capital-Jahr aller Zeiten werden könnte. Erwähnenswert sei aber auch die Vielzahl der Investoren, die sich an den jungen Unternehmen beteiligen. Waren es bis dato immer die üblichen Wagniskapitalgeber, die Start-ups mit Kapital unterstützten, traten in letzter Zeit vermehrt auch andere Spieler mit auf wie etwas Hedgefonds oder Mutual Fonds aber auch Pensions- und Staatsfonds, Family Offices oder Stiftungen.
Experten vermuten, dass die vielen erfolgreichen Börsengänge und substanziellen Finanzierungsrunden die Gier der Investoren befeuern würden. Dies sei auch der Grund dafür, dass das Geld bei den Venture-Capital- Fonds lockerer sitze. Derzeit sei eine ungewohnte Euphorie im westlichen Markt zu spüren, welche nicht zuletzt durch die Corona-Krise begünstigt werde. Bei den Investoren herrsche eine gewisse Goldgräberstimmung vor, die nicht ungefährlich einzustufen sei.
Gleichzeitig ist auch der Wert der „Exists“- also der Einnahmen aus Verkäufen oder IPOs- so hoch wie nie zuvor. So lag das Volumen im ersten Halbjahr 2021 um rund 30 Prozent über dem vormaligen Höchstwert von 2020. Bis dato gab es in diesem Jahr 120 Börsengänge. Würde es bei dieser Geschwindigkeit der Börsengänge bleiben, würden in diesem Jahr die Börsendebüts 1999 und 2000 sogar überschritten werden. Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden 372 Milliarden Dollar mit den Exists eingenommen. Schnell rufen diese Rekordsummen bei einigen Marktteilnehmern Erinnerungen an die Dotcom-Blase Ende der Neunziger Jahre hervor. Damals flossen Unsummen in Start-up Unternehmen, die keine nachhaltigen Geschäftsmodelle vorweisen konnten. Derzeit bestehen zwei fundmentale Risiken für eine Blase. Zum einen wenn sich die Wachstumskriterien als unrealistisch erweisen, etwa bei Rückschlägen in der Covid-Krise oder bei mangelhaften Bewertungen von klinischen Studien. Zum anderen spiele der Faktor Zeit eine essenzielle Rolle. Schlussendlich könnten nicht alle Newcomer in bestimmten Märkten bestehen bleiben. Mitläufer- und Nachahmer-Effekte würden tendenziell das Risiko einer Blase erhöhen.
Bewertungen, etwa von Gorillas, verdeutlichen, dass die Wachstumsziele einiger Start-up Unternehmen als sehr ambitioniert bzw. als utopisch eingestuft werden müssen. Wichtig sei es vor allem, das Geschäftsmodell im Einzelfall zu bewerten - also ob das Geschäftsmodell skalierbar oder einzigartig sei. Diese unabdingbare Voraussetzung scheint allerdings von vielen Analysten und Wagniskapitalgebern immer häufiger ignoriert zu werden, deren einziges Ziel es sei, den Zuschlag zu erhalten.
Manche Start-ups können sich die Venture-Capital Investments derzeit selbst aussuchen. Eine Prognose, ob das Investitionsvolumen auf dem derzeitigen Höchststand bleibe, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich und hänge von verschieden Faktoren ab.
Das Zitat „Geld ist geil wie ein Bock und scheu wie ein Reh“ von F.J. Strauß verdeutlicht: Ein negativer Vorfall wie beispielsweise ein größerer Crash mit hohen Abschreibungen für Investoren lässt schnell die Alarmglocken im Markt läuten und die Euphorie der Investoren abkühlen.