Grundsteuer: Ist das neue Steuermodell verfassungswidrig?
Millionen Immobilienbesitzer haben bereits Einspruch erhoben
Hintergrund: Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 die Bewertung von Grundstücken nach dem Einheitswert für verfassungswidrig erklärt hatte, wurden durch die Grundsteuerreform 2025 mittlerweile Neuregelungen für alle Bundesländer geschaffen. Elf Bundesländer, unter anderem auch NRW, setzen auf das Modell, das der Bund entwickelt hatte und sich stärker als bisher am tatsächlichen Wert einer Immobilie richten soll. Fünf Bundesländer - Hamburg, Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen - erließen eine eigene Grundsteuer.
Fakt ist: In den vergangenen Wochen haben bereits viele Immobilieneigentümer ihren neuen Grundsteuerbescheid bekommen. Viele der Eigentümer erlebten dabei eine böse Überraschung, denn manchen droht eine zehnmal so hohe Steuer wie bisher, falls die Kommunen die Steuersätze nicht senken. Viele Steuerzahler seien irritiert über ihre Bescheide. Zum einen sei nicht genau aufgeschlüsselt, was genau an Grundsteuer gezahlt werden müsse. Außerdem fänden sich in den Bescheiden ein Bodenrichtwert für das eigene Grundstück sowie eine mögliche Miete, die den Immobilieneigentümern „irreal vorkommt“.
Ein Rechtsgutachten des Steuerrechtlers Gregor Kirchhof im Auftrag des Steuerzahlerbundes sowie des Eigentümerverbandes Haus & Grund will nun nachweisen, dass die neue Grundsteuer im Bundesmodell verfassungswidrig ist. Die auftraggebenden Verbände kündigen Musterklagen an und raten Eigentümern zum Einspruch. Schon jetzt haben bereits Millionen Steuerzahler Einspruch gegen ihre Grundsteuerbescheide eingereicht. Viele wollen sich damit mehr Zeit schaffen und vorsorgen, bevor Gerichte die Grundsteuer einkassieren.
Das zentrale Problem des neuen Bewertungssystems sind die Bodenrichtwerte, die laut Kirchhof-Gutachten, wenig vergleichbar sei. So greife der Bund auf Pauschalierungen zurück, die nur schwer anwendbar seien, während maßgebliche Parameter außer Acht gelassen werde.
Die strukturellen Fehler der absolut gesetzten Bodenrichtwerte verdeutlicht der Steuerrechtler am Beispiel der Stadt Berlin. So hat die bevorzugte Wohnlage Wannsee zum 1. Januar 2022 einen geringen Bodenrichtwert von 1.500, in der weniger attraktiven Lage Neukölln ist der Wert gut doppelt so hoch: 3.200.
Bundesmodell unnötig kompliziert
Kirchhof argumentiert zudem, dass das Gesetz die Grundsteuer unnötig kompliziert mache, statt sie zu vereinfachen. Beim Bundesmodell seien eine ganze Reihe von Parametern relevant, darunter die Wohnfläche, das Baujahr, Bewirtschaftungskosten, Liegenschaftszinssatz aber beispielsweise auch Restnutzungsdauer, Abzinsungsfaktor und Bodenwert. Nach den Grundsteuergesetzen in Hamburg, Hessen und Niedersachsen sei der Aufwand sehr viel geringer: Da komme es nur auf Fläche und Gebäudeart an. Noch einfacher sei das bayerische Modell, bei dem es in erster Linie auf Grundstücks- und Wohnfläche ankäme.
Fakt ist: Bis dato lehnt die Politik jegliche Nachbesserungen an der Grundsteuerreform ab. Diese unklare Rechtslage ist somit nicht nur für die Steuerzahler, sondern auch für die Kommunen ein Problem. Denn mit 14 Milliarden Euro stellt die Steuer eine zentrale Einnahmequelle der Städte und Gemeinden dar.
Verfassungsrechtler Kirchhof rät den betroffenen Eigentümern daher unter Einhaltung der Fristen Einspruch gegen den Grundsteuerbescheid zu erheben und dann zu klagen. Dabei gehe es nicht darum, keine Grundsteuer zu entrichten. Die Bewertung der Steuern müsse realitätsgerecht sein, dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechen.
Noch wäre Zeit, die Abgabengesetze zu korrigieren.