Aktienmärkte: Fallende Kurse aber kein Crash – Unterschiede zur Dotcom-Blase
Angst an den Börsen
Unerwartet hohe Inflationszahlen aus den USA ließen die Kurse zum Wochenauftakt weiter sinken. Die Angst vor einem Crash ist wieder zurück. Der deutsche Leitindex gab diesen Montag um 2,4 Prozent nach. An den Aktienmärkten herrscht Ausverkaufsstimmung.
Insbesondere die Technologieaktien stehen unter Druck. So brach der US-Tech-Index Nasdaq, in dem 300 wachstumsorientierte Unternehmen gelistet sind, um fast 5 Prozent ein. Der Jahresverlust erreicht mehr als 30 Prozent. Experten prognostizieren eine weitere Abwärtsspirale. Auch macht sich die Sorge breit, dass die fallenden Tech-Werte den gesamten Markt mit nach unten reißen - wie zur Jahrtausendwende.
Fakt ist: Die aktuellen Börsenkurse entwickelten sich in den letzten Jahren aufgrund der lockeren Geldpolitik mit niedrigen Zinsen in den vergangenen Jahren stetig nach oben.
Zum einen sorgten die niedrigen Zinsen insbesondere bei Wachstumswerten für stark steigende Kurswerte und somit für eine höhere Unternehmensbewertung. Ursächlich hierfür ist die Bewertung der diskontierten in der Zukunft liegenden Gewinne: Bei niedrigen Zinsen werden künftige Gewinne höher gewichtet als bei einem höherem Zinsniveau. Wachstumswerten, die aktuell noch keinen Gewinn machten, ihre Umsätze und Marktanteile aber kontinuierlich steigerten, waren in den letzten Jahren attraktiver als sogenannte Value-Werte, die kontinuierliche aber wenig steigende Gewinne erzielen.
Zum anderen wurde von den Notenbanken immens viel Liquidität ins System gepumpt. So hat sich die Bilanzsumme der US-Notenbank Fed seit 2010 vervierfacht. De facto traf somit ein Überschuss an Liquidität auf einen durch die niedrigen Zinsen ausgelösten Anlagenotstand. Somit gab es kaum eine sinnvolle Alternative zu Aktien. Gleichzeitig bot das billige Geld den Unternehmen die Möglichkeit, sich günstig zu finanzieren.
Doch diese Ausnahmesituation ist nun vorbei. So hat die amerikanische Fed in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal den Zinssatz angehoben, von einem Zinskorridor von null auf 0,25 Prozent auf 0,75 bis ein Prozent. Und bereits diese Woche soll eine weitere Zinserhöhung folgen. Ferner reduziert die Fed ihre Bilanzsumme und entzieht dem Markt Liquidität.
Beides zusammen lässt die Aktienkurse fallen. Experten sind sich einig: Wenn das billige Geld verschwindet, verschwindet auch die Blase.
Unterschiede zur Dotcom-Blase
Im Hinblick auf die Jahrtausendwende ist die Situation heute aber eine andere. Damals wurde mit dem Aufkommen des Internets viel Geld in vermeintlich lukrative internetorientierte Unternehmen investiert. Sehr viele von ihnen haben nie Gewinne erzielt und sind damals insolvent gegangen.
Fakt ist: Bevor die Internetblase ab März 200 zu platzen begann, waren die 100 größten Technologiewerte an der Nasdaq mit einem Verhältnis von Kursen zu Nettogewinn von 50 bewertet. Aber der Großteil der Unternehmen konnte keine Gewinne verbuchen.
Heute hingegen sin die großen Technologiekonzerne hochprofitabel und ihre Gewinne entwickeln sich weit rascher als Unternehmen in der traditionellen Industrie. Dieser Trend sorgt dafür, dass die Unternehmen so schnell wie in keiner anderen Branche in ihre Bewertungen hineinwachsen. Überbewertungen bauen sich somit nicht nur durch Kursverluste ab, sondern auch durch stetig steigende Gewinne.
Tatsache ist aber auch, dass die Alternativen zu Aktien für Anleger deutlicher unattraktiver sind als noch zur Jahrtausendwende. So gibt es für Bankguthaben und Geld auf dem Sparbuch keinerlei Zinsen - im Jahr 2000 gab es noch mehr als vier Prozent. Die realen Renditen von soliden Anleihen sind immer noch negativ, wenn man die Inflation von den nominalen Renditen abzieht. Somit hat die Börse heute einen Vorteil, der sich aus dem Nachteil der anderen Anlageformen ergibt, einschließlich sehr teurer Immobilien.
Auch gab es 2001 und 2002 nach dem Platzen der Blase keine guten Unternehmen und somit war der Weg zurück zum Aktienmarkt unattraktiv. Heute geht es den Unternehmen, die an der US-Börse wichtig sind, sehr gut und somit dem gesamten Markt.
Dennoch ist ein weiterer Kursrückgang der Aktienkurse nicht auszuschließen. Das hängt weniger von der Ansteckungsgefahr der Tech- Werte ab, sondern vielmehr von der wirtschaftlichen Gesamtsituation. Wir befinden uns gerade in einem Angebotsschock. In den Unternehmen liegt derzeit eine Störung ihrer Kostensituation vor: Steigende Energiepreise und dadurch höhere Preise (Inflation).
Vielfach wird von Experten moniert, dass die Notenbanken zu lange gewartet haben und daher jetzt radikal gegensteuern. Durch die Erhöhung der Zinsen wird weniger investiert und mehr gespart. Das Wirtschaftswachstum wird gebremst und senkt die Inflation. Dennoch: Je höher die Inflation ist und je mehr die Zinsen angehoben werden, desto höher die Gefahr einer Rezession.